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So berichteten deutsche Leitmedien über Elon Musks Twitter-Übernahme

Es war die wohl dramatischste Übernahme, die das Jahr 2022 zu bieten hatte: Bis sich Elon Musk am 27. Oktober Eigentümer von Twitter nennen konnte, hielt es viel Drama, einige Irrungen und Wirrungen unter Einbeziehung weiterer schillernder Medienprominenz bereit. Fast nichts blieb unbeachtet oder unberichtet – auch nicht private Chatnachrichten mit Deutschlands mächtigsten Medienmanager Mathias Döpfner. Zahlreiche Medien waren von Anfang an dabei, begleiteten Musks Hin und Her mit einer gewissen Faszination. War das alles angesichts der Bedeutung von Twitter in der Gesellschaft nicht etwas zu viel? Unsere Analyse zeigt: Es wurde viel berichtet und trotzdem dem Thema allgemein nicht viel Bedeutung beigemessen.

Das geht aus dem Agenda-Setting-Monitor hervor, den das Daten-Startup azernis im Rahmen einer exklusiven Kooperation mit Medieninsider erstellt. Dafür wird die Berichterstattung von insgesamt elf deutschen Online-Publishern mit überregionaler Relevanz analysiert. Die Auswertung umfasst die Berichterstattung auf den Startseiten von RND, Tagesschau, Zeit, Spiegel, FAZ, SZ, NTV, Stern, Welt, Bild und Focus im Zeitraum vom 01. August 2022 bis zum 15. Dezember 2022.

Die Homepages der Publisher funktionieren wie Titelseiten von Tageszeitungen. Die Platzierungen auf der Website zeigen an, was Nachrichtenanbieter für ihre Stammnutzer als relevant erachten. Themen, die weit oben auf den Nachrichtenseiten platziert werden, erhalten entsprechend mehr Aufmerksamkeit. azernis wertet die Themen und Platzierungen aus. Technisch bedingt konnten einige reichweitenstarke News-Anbieter nicht berücksichtigt werden.

Die Analyse zeigt: Twitter und Elon Musk sind beliebte Themen für Publisher. Im Beobachtungszeitraum veröffentlichten die analysierten Nachrichtenseiten insgesamt rund 300.000 Artikel auf ihren Startseiten, mehr als 2500 davon über Twitter und Elon Musk. Zur Übernahme Twitters durch Elon Musk im Speziellen waren es insgesamt 1331 Artikel. Zum Vergleich: Obwohl Facebook in Deutschland ungefähr dreimal mehr Nutzer als Twitter hat, wird über Meta und Facebook nur in 1227 Artikeln berichtet.

Diese Auswirkungen hatte die Verbindung von Elon Musk zu Springer-Chef Mathias Döpfner auf die deutsche Berichterstattung

Bemerkenswert ist, dass die Twitter-Übernahme bis zum offiziellen Abschluss am 27. Oktober nur punktuell für mediale Aufmerksamkeit sorgte. Lediglich einzelne Ereignisse wie der Verkauf eines großen Tesla-Aktienpaketes am 10. August zur Finanzierung der Übernahme oder die Witze des Milliardärs, noch weitere Unternehmen, beispielsweise den Fußballclub Manchester United, zu kaufen, riefen entsprechende Meldungen hervor. Insgesamt wurde dem Thema aber keine hohe Relevanz beigemessen. Auf den untersuchten Startseiten war die Übernahme Twitters bis zum Oktober nicht ein einziges Mal als Aufmacher präsent.

Für überschaubare Aufmerksamkeit sorgte auch die Berichterstattung über Elon Musk und Mathias Döpfner. Im Zuge des Gerichtsprozesses zur Twitter-Übernahme wurden Chatnachrichten öffentlich, in denen Musk mit dem Springer-Vorstand ein weiteres Vorgehen besprach, um auf Twitter mehr Redefreiheit zu ermöglichen und die Algorithmen öffentlich zugänglich zu machen. Die Berichterstattung der US-Marke Insider führte in den hier untersuchten Medien am 30. September zu vier Artikeln. SZ, Stern und Spiegel berichteten auf den Positionen 20, 14, 13 und 42 ihrer Startseiten. Einer der beiden Artikel beim Spiegel führte als Verlinkung zum Manager Magazin.

Trotz dieser Verbindung nach Deutschland, nahm die Twitter-Übernahme erst im Oktober medial richtig Fahrt auf. Am 4. Oktober verkündete Musk die Kurznachrichtenplattform nun doch zu übernehmen und zu einer „Alles-App“ nach Vorbild des chinesischen WeChat umzubauen. Diese Nachricht führt zum ersten Aufmacher über die Twitter-Übernahme bei der Tagesschau, am Tag danach erscheint auch die SZ mit einem Artikel auf der Top-Position.

Am 21. Oktober machten die ersten Meldungen zu einem geplanten Job-Kahlschlag nach der Übernahme Twitters die Runde. Am 26. Oktober marschierte Elon Musk mit einem Waschbecken in das Twitter Hauptquartier in San Francisco und schrieb dazu auf seiner Plattform „Let that sink in“. Am Tag darauf wurde der Kauf abgeschlossen und am 28. Oktober offiziell bekannt gegeben. Dazu wurden auf den untersuchten Homepages insgesamt zwölf Aufmacher veröffentlicht.

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Anschließend schien alles zum Thema Twitter relevant zu sein. Jeden Tag wurden Artikel veröffentlicht und der Führungsstil von Elon Musk und das ausbrechende Chaos ausführlich beleuchtet. Die massenhaften Entlassungen und der unklare Plan Musks wurden zu Aufmachern bei RND, Spiegel, Tagesschau und Zeit am 05. November.

Musks Vorgehen gegen Journalisten sorgte für Ausschläge in der Berichterstattung

Auch die neuen Features bei Twitter, wie ein zweiter Haken zur Verifizierung von Accounts, wurden von den Medien thematisiert. Erneut große Aufmerksamkeit mit insgesamt vier Aufmachen erfuhr die von Musk initiierte Abstimmung zur Rückkehr Donald Trumps auf die Plattform. Erst im Dezember ging die Berichterstattung wieder leicht zurück, blieb aber signifikant höher als im August und im September vor der Übernahme. Insbesondere die Artikel zur Sperrung des Accounts zur Verfolgung von Musks Privatjet am 14. und 15. Dezember sorgten erneut für Ausschläge in der Berichterstattung. In jüngster Vergangenheit wurde auch über die Sperrung mehrerer Journalistinnen und Journalisten ausführlich berichtet, sodass Twitter nie vollständig aus den Schlagzeilen verschwand.

Und was ist mit der Berichterstattung zur Twitter-Alternative Mastodon? Am 28. Oktober, also dem Tag der Übernahme, erschienen auf den untersuchten Seiten die ersten drei Artikel zu Mastodon. Beim Spiegel sogar auf Position drei der Startseite. Im November und Dezember folgten 27 weitere Artikel auf den Startseiten der analysierten Publisher. Ebenfalls auf Position drei erschien die Kolumne von Hendrik Wieduwilt „Schlimmer als Twitter“ bei der FAZ am 5. Dezember. Für die Aufmacher-Position hat es bei Mastodon also nicht gereicht.

Zeit und Spiegel mit den meisten Aufmachern, Bild mit keinem einzigen

Die Unterschiede im Agenda-Setting der Publisher sind bemerkenswert. Die meisten Aufmacher zur Twitter-Übernahme wurden von der Zeit und vom Spiegel veröffentlicht. Bild hat im Untersuchungszeitraum keinen Aufmacher zum Thema und insgesamt nur 50 Artikel veröffentlicht. Am häufigsten berichtete der Stern auf der Startseite über die Übernahme mit insgesamt 239 Artikeln.

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Obwohl die Tagesschau den ersten Aufmacher zur Übernahme Twitters veröffentlicht hatte, blieb die Gesamtanzahl an Artikeln überschaubar. 53 Artikel wurden im Untersuchungszeitraum dazu veröffentlicht. Dem Thema wurde aber insgesamt schon eine hohe Relevanz beigemessen. Von den 56 Artikeln wurden immerhin fünf als Aufmacher veröffentlicht.

Fazit: Der Übernahme Twitters durch Elon Musk wurde in der Berichterstattung insgesamt erst nach der offiziellen Bekanntmachung eine hohe Relevanz zugesprochen. Das ausbrechende Chaos und Spins zur schlechten Unternehmensführung oder der fragwürdigen Macht von Milliardären gaben dem Thema immer wieder Auftrieb. Die Verbindungen zwischen Mathias Döpfner und Elon Musk haben hingegen kaum Beachtung gefunden.

Methodik

Für die Analyse wurden die Startseiten von elf überregionalen deutschen Online-Publishern analysiert: RND, Tagesschau, Zeit Online, Spiegel, FAZ, SZ, NTV, Stern, Welt, Bild und Focus. Untersuchungszeitraum war vom 1. August bis zum 15. Dezember. Es wurden die gesamten Startseiten vom obersten bis zum untersten Artikel ausgewertet, also alle Veröffentlichungen inklusive mehrfach veröffentlichter Artikel (Republishing) und automatisierter Inhalte der Nachrichtenagenturen. Diese Phänomene werden nicht automatisiert herausgefiltert und treten bei allen untersuchten Publishern auf.

Dieser Text erschien zuerst bei Medieninsider.com am 19.12.2022. Er ist im Original hier zu finden.

Über diesen Artikel

Geschrieben von Stefan Paulus

Publiziert am: 4/13/2023, 1:00:00 PM

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