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Corona und die Medien: Auswertung der Berichterstattung zur Pandemie

Welcher Stellenwert wurde der Corona-Pandemie medial beigemessen? Korrelieren die Infektionszahlen mit der Berichterstattung? Und wie war die Berichterstattung im Sommer 2021, als die Neuinfektionen auf einem sehr niedrigen Niveau waren?

Methodik

Von Januar 2021 bis Ende Februar 2022, also grob vom Höhepunkt der ersten Winterwelle bis zur zweiten Winterwelle der Pandemie, haben wir auf sechs von uns analysierten Nachrichtenseiten insgesamt rund 450.000 Artikel registriert. Die sechs analysierten Seiten sind Tagesschau.de als öffentlich-rechtlicher Publisher mit nationaler Bedeutung und BR24, ein erfolgreiches regionales Nachrichtenangebot des ÖRR. t-online.de ist als Vertreter des Boulevards dabei. Hinzu kommen Spiegel.de, Zeit.de und FAZ.de, die aufgrund ihres sozial-liberalen bzw. konservativen Rufs ausgewählt wurden und nationale Relevanz besitzen. In den Teaser-Texten und Überschriften der registrierten Artikel haben wir anschließend nach Stichworten wie Covid-19, Corona, Coronavirus oder auch Sars-Cov-2 gefiltert. Dies bildet die Datenbasis für diesen Report.

Anteil Coronas an der Berichterstattung

Insgesamt wurden 61.924 Artikel mit Bezug zum Coronavirus, das entspricht ca. 14%, auf diese Weise ermittelt. Da allerdings einige der untersuchten Publisher auch automatisiert Inhalte der Nachrichtenagenturen auf ihrer Startseite veröffentlichen, die Leser*Innen nur selten sehen (da sie wohl kaum nach so weit unten scrollen) ist die Betrachtung der obersten 20 Artikel interessanter. Dabei fällt auf, dass bei den oberen 20 Artikeln der Anteil mit Bezug zur Pandemie sogar noch zunimmt. Schaut man nur auf die Artikel, welche auch in den ersten 20 Positionen auf der Startseite auftauchen, dann sind es sogar 18,22 % der Artikel mit einem Corona-Bezug. Zu beachten ist allerdings, dass nicht zwangsläufig auch jeder Artikel, der eines der Stichworte erwähnt hat, auch die Pandemie als Thema hatte. Es gibt es auch Teaser-Texte die beispielsweise von “den guten Geschäftszahlen im Corona-Jahr” sprechen.

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Die Betrachtung der Aufmacher, also der obersten Position auf einer Nachrichtenseite, ist nochmal relevanter, da die Redaktionen dort die -aus ihrer Sicht- wichtigsten Themen platzieren und die meisten Leserinnen und Leser erreichen. Dort haben wir im Untersuchungszeitraum 27.727 Artikel registriert. 27,74 % hatten dabei einen Bezug zur Corona-Pandemie. Das Thema ist also nicht nur im Alltag sehr präsent, sondern auch medial ein Dauerbrenner. Mehr als ein Viertel aller Aufmacher drehten sich um die Pandemie!

Zur Korrelation Berichterstattung - Infektionszahlen

Aber wie verhält sich die Berichterstattung zu der Anzahl der Infizierten? Korrelieren die Corona-Wellen mit möglichen Wellen der Berichterstattung? Und wie präsent war das Thema in der Berichterstattung im Sommer 2021, als es kaum Infizierte gab?

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Um diese Grafik anschaulicher zu gestalten, wurden die Zahlen geglättet. Das bedeutet, dass für die Anzahl der Neuinfektionen, der Anzahl der Artikel und die Anzahl der Aufmacher ein laufender Durchschnitt gebildet wurde. Dadurch werden die Kurven etwas “glatter” und die täglichen Schwankungen werden ausgeglichen. Denn an Wochenenden werden weniger Artikel veröffentlicht und auch die Zahl der Neuinfektionen ist bekanntermaßen geringer. Zusätzlich wurde die Anzahl der Neuinfektionen durch den Wert 100 dividiert und die Anzahl der Aufmacher um den Faktor 10 erhöht. Das führt einerseits dazu, dass der Graph bei allen Kurven bei ungefähr dem gleichen Wert beginnt und andererseits können so überhaupt alle Kurven in ein Diagramm. Denn bei Werten von zehntausenden Neuinfektionen wären die paar Hundert Artikel dazu im Graphen nicht ablesbar.

Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass es zum Jahresbeginn 2021 je 100 neu infizierter Personen in Deutschland einen Artikel bei den untersuchten Publishern gab. Dieses Verhältnis ändert sich dramatisch im Sommer 2021. Der höchste Mismatch zwischen Neuinfizierten und der Berichterstattung gibt es in der ersten Woche des Juli, wo es für bereits nur noch 6 Neuinfektionen je einen Artikel bei den untersuchten Publishern gab. Mit steigenden Infektionszahlen wird das Verhältnis von 100 bereits wieder Ende August erreicht. Gegen Ende des Jahres und insbesondere im Januar und Februar 2022 entkoppeln sich die Zahlenreihen wieder zunehmend. In der letzten Woche des Februars beträgt das Verhältnis 1:3202. Es gibt also extrem viele Infizierte, allerdings ist die Berichterstattung dazu nicht in gleichem Maße ausgeprägt.

Korrelationskoeffizienten

Anfangs liegt das allerdings weniger an der Berichterstattung, als an den explodierenden Fallzahlen. Denn mit dem Anstieg der Fallzahlen steigt auch wieder die Berichterstattung im Herbst und Winter an. Insbesondere die Anzahl der Aufmacher steigt ebenfalls sehr stark an. Die Kurvenverläufe sind zu dem Zeitpunkt im November nahezu identisch. Insgesamt zeigt sich, dass die Anzahl der Aufmacher etwas besser mit den Neuinfektionen korreliert als die bloße Anzahl der Artikel. Für das Gesamtjahr 2021 wird ein Korrelationskoeffizient von 0,556 zwischen der Anzahl der Aufmacher und den Infektionszahlen festgestellt. Dieser Wert bedeutet, dass die beiden Zahlenreihen leicht positiv korrelieren. Die Korrelation zwischen der Artikelanzahl und den Infizierten ist etwas weniger stark und beträgt 0,470.

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Bemerkenswerte Datenpunkte

Auffallend am Jahresverlauf sind die hohen Zahlen an neuen Artikeln und Aufmachern Ende November. Am 26. November wird vom RKI ein neuer Höchststand an Neuinfektionen gemeldet. Gleichzeitig starten die ersten Unterstützungsflüge der Bundeswehr, um bayerische Corona-Patienten in andere Bundesländer zu verlegen. Außerdem stuft die WHO die neue Variante (die später Omikron genannt wird) als “besorgniserregend” ein. Diese hohe Anzahl an relevanten Ereignissen hat zu dieser großen Anzahl an Artikeln und Aufmachern geführt. Ein weiterer Zeitpunkt mit vielen Aufmachern war der 23. März. An diesem Tag wurde der neue Lockdown über die Osterfeiertage beschlossen, der anschließend eine Kontroverse ausgelöst hat, da diese Osterruhe später wieder rückgängig gemacht wurde.

Im Januar 2022 werden es stetig weniger Aufmacher und auch die Anzahl der Artikel sinkt leicht. Ende Februar 2022 gibt es sogar keine Aufmacher mehr mit Bezug zu Corona und die Artikelanzahl sinkt ebenfalls stark. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde die Corona-Berichterstattung (vorerst?) verdrängt.

Zusammenfassung

Die Zahlen zeigen eindeutig eine Korrelation zwischen der Anzahl der Neuinfektionen und der Berichterstattung darüber. Zu den Wellen der Pandemie kommen gleichermaßen Wellen der Berichterstattung. Allerdings ist diese Korrelation nicht fest, sodass sich der Zusammenhang in der Winterwelle zunehmend entkoppelt hat. Das ist logisch, schließlich sind die Zahlen förmlich explodiert. Da kann die Berichterstattung unmöglich mithalten.

Die zunehmende Entkoppelung zu Beginn des Jahres 2022 zeigt auch eine gewisse Pandemie-Müdigkeit. Zwar sind die Inzidenzen hoch, allerdings ist der Wille sich noch mehr mit der Pandemie zu beschäftigten bei den Leserinnen und Lesern vermutlich eher gering. Die Korrelation zwischen der Berichterstattung und den Neuinfektionen verschwindet zunehmend. Hinzu kommt der Krieg in Europa, der die Pandemie zunehmend in den Hintergrund rücken lässt.

Über diesen Artikel

Geschrieben von Stefan Paulus

Publiziert am: 4/13/2022, 7:00:00 AM

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